Kennt ihr die Kinder, die schon immer einen unglaublichen Bewegungsdrang hatten und die vom Spielen nie heim kommen wollten? Diejenigen, die mit fünf Jahren mit Fußballspielen beginnen, die dann mit zehn Jahren im Verein rudern und spätestens mit 12 darüber nachdenken, ob sie eine Chance als Profi-Tennisspieler haben? Genauso ein Kind war ich… nicht!
Warum ich das verrate? Daran ist Lotta von TRI IT FIT schuld, die gerade aus Fitnessbloggern ihre sportlichen Geschichten herauskitzelt und zu einer Blogparade mit dem Titel „Nachgefragt: Warum treiben Fitnessblogger Sport“ aufgerufen hat.
Also gut; dann werden wir mal intim.
Unsportliche Kindheit
Zurück in meine Kindheit: Immerhin legte ich meinen Schulweg und den Weg zu Freunden mit dem Rad zurück, spielte natürlich auch draußen und probierte die eine oder andere Sportart aus; aber sportlich war ich nicht.
Stattdessen programmierte ich schon mit zehn Jahren auf meinem C64, focht meine Wettkämpfe nicht auf Sportplätzen sondern in Schachmeisterschaften aus, lernte Englisch durch Computerspiele, hasste die Demütigung der Bundesjugendspiele und war von ziemlich schlaksiger Statur. Ich war ein Nerd und stolz darauf – auch wenn das damals noch nicht sonderlich cool war.
Dünn, ja regelrecht dürr, sollte ich auch lange bleiben – trotz eines ständig gefüllten Kühlschranks, eines gesunden Hungers und einer Kur. Süßigkeiten waren zwar keines meiner Laster, dafür aber herzhafte Hausmannskost. Trotzdem ging alles irgendwie gut.
Selbst im Studium konnten mir Kalorien und die Mensaküche nichts anhaben, aber dank eines Fitnessstudios bekam ich zumindest eine passable Silhouette.
Schleichende Gewichtszunahme
Bis irgendwann Anfang 30 die Arbeit und ein langsamer werdender Stoffwechsel alles veränderten. Erschwerend kamen eine sitzende Tätigkeit im Büro über 10-12 Stunden am Tag hinzu, das Kantinenessen und auch mangelnde Bewegung am Abend. Meine Liebe für mit-Käse-Überbackenes und Bier war wohl genauso wenig zuträglich, wie die Tatsache, dass ich inzwischen mit dem Rauchen angefangen hatte. Alles passierte wirklich schleichend, aber binnen drei oder vier Jahren wurde aus einem BMI von 18 ein BMI von über 30.
Kennt ihr die Geschichte vom Frosch und dem Kochtopf? Vielleicht sogar aus Sozialkunde, BWL-Kursen oder Schulungen für Führungskräfte…
In der Geschichte heißt es, dass ein Frosch, der in einen Topf mit kochendem Wasser geworfen wird, seine gefährliche Lage erkennt und aus dem Inferno sofort herausspringt.
Wirft man den Frosch stattdessen jedoch in lauwarmes Wasser, das man anschließend langsam erhitzt, so versucht er nicht zu entkommen und lässt sich problemlos kochen.
Zwar weiß man heute, dass die „Geschichte vom Frosch im Kochtopf“ wissenschaftlicher Blödsinn ist (bei den Versuchen mussten einige Frösche ihr Leben lassen), doch als Parabel taugt die Geschichte immer noch. Denn für mich vollzog sich meine Wandlung vom Untergewicht über Normalgewicht bis zum massiven Übergewicht doch so schleichend, dass ich es kaum merkte und auch nicht richtig daran störte. Mein Wohlfühlgewicht hatte ich auch (gefühlt) noch nicht verloren.
So kann es nicht weiter gehen
Erst im August 2013, das genaue Datum kenne ich leider nicht mehr, stellte ich erstmalig wirklich fest, dass sich etwas ändern müsste. Auslöser waren die Treppen in den dritten Stock gewesen, die mir einen keuchenden Atem und eine hämmernde Brust verschafft hatten. Der Blick auf den eigenen Bauch verriet mir auch viel zu ehrlich, wo das Problem zu suchen war. Ich hatte mein Wohlfühlgewicht verloren.
Natürlich hatte ich auch das Fitnessstudio zu dem Zeitpunkt auch schon seit Jahren nicht mehr besucht. Woher sollte die Fitness also kommen?
Rauf aufs Rad – Abnehmen ist angesagt
Es war eigentlich eine Kurzschlussreaktion, die dazu führte, dass ich noch am Abend mein Fahrrad in Ordnung brachte und schon am nächsten Morgen meine erste Fahrt zur Arbeit damit antrat. Und siehe da, es machte sogar Spaß!
Meine Route durch Hamburg führte idyllisch an der Alster vorbei und brauchte weniger Zeit als die öffentlichen Verkehrsmittel. Auch wenn ich nicht so schnell wie früher war, hatte ich das Radfahren zumindest auch nicht verlernt. Aus dem direkten Weg zur Arbeit wurden in den Folgewochen morgentliche Bonusrunden um die Alster, um absichtlich mehr Bewegung zu haben. Erste positive Reaktionen der Waage belohnten mich zusätzlich.
Erste Laufversuche an der Alster
Doch es vergingen noch viele Wochen, bis ich den folgenschweren Entschluss fasste, die Alster direkt vor meiner Wohnung auch zu Fuß erobern zu wollen. Mein Ziel sollte es sein, einmal die Alster laufend umrunden zu können: 7,33 Kilometer am Stück. Ich stellte die Abstellkammer so lange auf den Kopf, bis ich endlich die gut verschütteten Laufschuhe fand, die bisher nie ihren Zweck zugeführt worden waren.
So startete ich meine erste Laufrunde an der Alster, an der wohl die meisten Hamburger das Laufen gelernt haben. Gerade einmal 800 Meter hatte ich absolviert, als ich meinen Entschluss bereits bitter bereute. Meine Muskeln schmerzten, ich war außer Puste und schwitzend verfiel ich von einem schnellen Trab ins Gehen. Mein Körper hatte mich im Stich gelassen; gedemütigt. Ich beschloss, dass ich das nicht auf mir sitzen lassen würde!
Was folgte waren Wiederholungen: Mindestens zweimal pro Woche zog ich die Laufschuhe an und quälte mich an der Alster. Ein Stück Laufen, Gehpause, wieder Laufen. Die Muskeln schmerzten irgendwann weniger, mein Puls ging nicht mehr durch die Decke und ganz plötzlich war Laufen keine Belastung mehr, sondern Lust… kurze Zeit später lief ich das erste Mal komplett um die Alster und fühlte mich unbesiegbar.
Lauf Crew als Motivation
Fast ein Jahr, nachdem ich keuchend an der Treppe stand, hatte ich mein ursprüngliches Ziel erreicht und auch mein Gewicht war durch die regelmäßigen Radfahrten und das Laufen von über 95 kg auf 80 kg geschmolzen; ich hätte also zufrieden mit dem Thema abschließen können. Wäre ich nicht über den Artikel Sexy und lässig – Der wirklich coole Lauftreff in der Welt gestolpert, der von einer zwei Monate alten Lauf Crew, den Tide Runners, berichtete. Eine Art Lauftreff mit jungen, hippen Menschen, die sich beim Laufen über Bier und Kinofilme unterhielten und danach beim Gin Tonic zusammensaßen.
Ich war begeistert von der Idee und lief am folgenden Mittwoch zum ersten Mal mit 40 weiteren Tide Runners. An dem Abend absolvierte ich meine ersten 15 km am Stück und war komplett hinüber. Doch die Gemeinschaft motivierte mich und stachelte mich immer wieder an.
Wettkämpfe
Ende 2014 hatte ich 500 Laufkilometer gesammelt und kam auf den Gedanken, dass ich wohl doch eine gewisse Eignung zum Sport hätte. Warum also nicht auch mal einen Wettkampf ausprobieren? Zwar konnte ich zu dieser Zeit maximal 15 km am Stück laufen und war anschließend völlig aus der Puste, doch ich meldete mich für 2015 als Ansporn für den Hamburg Marathon im April und auch für den Berlin Marathon im Herbst an.
Long Story Short:
- 2015 gab ich das Rauchen auf, lief drei Marathons, ein Vielfaches an Halbmarathons und kam auf eine vierstellige Laufkilometerzahl. Aus dem Pummelchen war tatsächlich ein Läufer geworden.
- 2016 startete ich ein Rookie-Programm für Triathleten und absolvierte meine erste olympische Distanz sowie die erste Mitteldistanz; neben vier Marathons. Außerdem landete mein fast nacktes Konterfei in der RUNNER’S WORLD.
- 2017 hat mir meinen bisher härtesten Wettkampf eingebracht: die erste Triathlon-Langdistanz beim Ironman in Hamburg. Sicherlich nicht das letzte Mal.
Was mich heute beim Sport hält
Wenn ich heute Laufschuhe anziehe oder die Radschuhe in die Pedale einklicke, dann gibt es vor allem drei Gründe:
- Sport ist „Zeit für mich“, in der ich meine Gedanken sortiere, Meetings oder Artikel plane, den Kopf frei bekomme und den Stress des Tages hinter mir lasse.
- Sport ist Socializing, bei dem ich alte Freunde treffe und neue kennenlerne. Wer 30 Kilometer mit einem Fremden läuft, kennt diesen anschließend besser als manche Freunde.
- Sport gibt mir die Möglichkeit, (fast) alles zu essen, worauf ich Lust habe. ERNSTHAFT! Ich esse natürlich immer noch gerne Dinge, die mit Käse überbacken sind. Doch heute wiege ich etwa 25 kg weniger als zu meinen schlimmsten Zeiten.
Die zahlreichen Wettkämpfe, die ich weiterhin bestreite, sind zeitliche „Landmarken“, zu denen ich ein bestimmtes Fitnessziel erreicht haben möchte. Gleichzeitig setzen mich diese Wettkämpfe auch bewusst unter Druck und verhindern, dass ich Trainings ausfallen lasse oder im Winter bei schlechtem Wetter zu häufig auf die Couch verschwinde. Ja, auch ich muss mich an manchen Tagen zum Sport motivieren.
Zudem macht es Spaß, die eigenen Grenzen immer wieder zu verschieben und zu sehen, wozu man in der Lage ist, wenn man nur verbissen genug für etwas trainiert.
Warum ich über Sport blogge
Der Blog LaufMotivation entstand nebenbei und eigentlich eher als Spielerei. An die Idee, ein Fitnessblogger zu werden, hatte ich nicht gedacht. Ich wollte nur Anekdoten und schöne Momente teilen; einfach den Spaß am Sport vermitteln. 50 Besucher pro Woche auf meiner Webseite waren damals schon eine große Sache. Und die ersten Monate blieb es auch dabei. „Wenn ich dabei auch nur die Chance hätte, den einen oder anderen Couchhocker zu ersten Laufeinheiten zu motivieren“, so dachte ich mir, „dann hätte sich die Seite auch schon rentiert.“
Das änderte sich, als nach einem Testbericht plötzlich der Webserver in die Knie ging: 1.000 Besucher täglich; damit hatte ich nicht gerechnet. Von einem Tag auf den anderen quoll mein Postfach mit Leserfragen über und ich hatte das Gefühl, mehr Menschen helfen, unterstützen und unterhalten zu können, als ich dies jemals für möglich gehalten hatte. Später folgten die ersten Kooperationen mit großen Firmen wie Apple, Garmin oder Strava, Einladungen zu Presseterminen und Sportmessen. Spannend! Mein Hobby-Projekt öffnete mir plötzlich Türen.
Mein täglich Brot verdiene ich weiterhin als IT-Manager; der Blog müsste wohl 20-mal so groß werden, um davon leben zu können. Doch wenn nach der Arbeit und dem Sport noch Zeit bleibt, dann sitze ich mit meinem Laptop auf der Couch, esse etwas mit-Käse-Überbackenes und beantworte Leserfragen und schreibe den nächsten Artikel. Weil ich mich freue, wenn mir jemand schreibt, dass ihm der erste Halbmarathon gelungen ist, oder ich wenn ich jemand dazu motivieren kann, zum ersten Mal seine Laufschuhe zu schnüren.
4 Kommentare
Hey Julian,
super motivierender und spannend geschriebener Artikel (inclusive der Käsebrote^^). Wenn man die Vorher-Nachher-Bilder sieht, denkt man echt nicht, dass das dieselbe Person ist! Ich hoffe und wünsch dir, dass du in Zukunft weiter viele Leute motivieren und noch das ein oder andere Sportabenteuer erleben kannst!
Beste Grüße,
Lotta
wow, toller und sehr ehrlicher Bericht und grosser Respekt vor all deinen Leistungen! Mich bringst du zwar nicht mehr zum Bewegen, das tue ich so oder so schon mein Leben lang 🙂 Aber ich bin überzeugt, dass so manche und mancher gerade aufgrund von Artikeln wie
diesem von Sofa aufgestanden sind und begonnen haben, sich zu bewegen.
Beste Grüsste, Stefan
bewegung.querdurchdenalltag.com
P.S.: wer liebt nicht mit-Käse-überbackenes? eine leckere Käseschnitte oder Schinken-Käse-Toast oder was es sonst noch alles gibt 😉
Oh, du warst auch in Rügen mit dabei? Ich hatte damals einen unfassbaren Wellengang und unendlich viel Spaß dabei… Toll, dass man Dank so einer Blogparade mehr von anderen Bloggern erfährt. Viel Spaß auch weiterhin beim Sport und Bloggen.
Wow, klasse Artikel und ein toller Werdegang. Die Bilder veranschaulichen Deinen Weg dazu richtig.
#Run4Food 😉