Wer nun hofft, dass die folgenden Zeilen verraten werden, dass man sich mit wöchentlich drei Läufen erfolgreich auf einen Marathon in unter 3:00 Stunden vorbereiten kann oder dass man mit 25 Laufkilometern pro Woche auskommt, den muss ich enttäuschen. Meine Stichproben-Analyse basiert auf der Vorbereitung von 60 Finishern des Hamburg-Marathons über die entscheidenden 12 Wochen vor dem Hamburg Marathon und diese Analyse zeigt, wie viel Zeit und Mühe Athleten für dieses Ziel investieren und dass diejenigen, die härter an sich arbeiten, die besten Zeiten erzielen. Trotzdem sind überraschenderweise weniger Anstrengungen notwendig, als man erwartet würde!
Datenerhebung
Die Daten für meine Analyse habe ich den öffentlich zugänglicher Daten der Teilnehmer des Hamburg-Marathons entnommen, die auf dem sozialen Netzwerk Strava (einer Plattform zum internetbasierten Tracking von sportlichen Aktivitäten) Zielzeiten für den 31. Haspa Marathon Hamburg eingepflegt hatten, sowie denen einiger vertrauter Läufer, bei denen mir die Ziele bekannt waren. Hierzu wurden über Wochen die Trainingsverläufe überwacht und der Erfolg des Trainings wurde anhand der „Hamburg Marathon“-Ergebnisse bei Strava verifiziert. Die weiter unten in der Auswertung angegebenen Werte entsprechen dem gerundeten Mittelwert über die jeweilige Datenreihe ohne den jeweils kleinsten/größten Wert, um vereinzelt auftretende Extrema abzufangen.
Da ich keine API von Strava genutzt habe, musst ich die Daten händisch exportieren und mich daher auf eine Stichprobe über 60 Läufern beschränken; trotzdem lassen sich sehr gut Trends erkennen und die Ergebnisse erscheinen aussagekräftig. Eine gewisse Unschärfe bleibt, da ich nur Trainings einsehen konnte, die auch von GPS-Uhren erfasst wurden; es ist anzunehmen, dass es weitere Trainings ohne Aufzeichnung gab.
Für die Untersuchung habe ich das Teilnehmerfeld wie folgt segmentiert:
- Sub 3:00 Stunden Läufer (im Folgenden kurz 3L) – Läufer, die den Marathon in 2:55-2:59:59 beendet haben
- Sub 3:30 Stunden Läufer (im Folgenden kurz 3:30L) – Läufer, die den Marathon in 3:25-3:29:59 beendet haben
- Sub 4:00 Stunden Läufer (im Folgenden kurz 4L) – Läufer, die den Marathon in 3:55-3:59:59 beendet haben
- Sub 4:30 Stunden Läufer (im Folgenden kurz 4:30L) – Läufer, die den Marathon in 4:25-4:29:59 beendet haben
- Sub 5:00 Stunden Läufer (im Folgenden kurz 5L) – Läufer, die den Marathon in 4:55-4:59:59 beendet haben
Gelaufene Wochenkilometer und Einheitenanzahl
Als Indikator für das Trainingspensum wurden die geleisteten Wochenkilometer und Anzahl der Einheiten pro Woche (EpW) herangezogen. Diese wurden ohne Min/Max gemittelt, ungeachtet von Tapering-Phasen und eventuellen Verletzungen über die 12 Wochen.
- 3L – 51 km in 5 EpW
- 3:30L – 39 km in 4 EpW
- 4L – 34 km 3 EpW
- 4:30L – 33 km in 3 EpW
- 5L – 28 km in 3 EpW
Überraschend war die Erkenntnis, dass die Distanzen – die durchschnittlich je Einheit gelaufen wurden – bei den verschiedenen Segmenten überraschend nah beieinander lagen; rund 10 Kilometer dauerte eine durchschnittliche Einheit an. Betrachtet man nun einzelne Sportler und ihre Aufzeichnungen, so erkennt man bei den schnelleren Sportlern eine deutliche Spezialisierung im Training. Je schneller ein Läufer, desto häufiger waren Intervalle und Fahrtspiele Bestandteil. Je langsamer die Läufer, desto seltener waren diese Trainingsimpulse zu finden; die Vorbereitung bestand häufiger aus ähnlich langen/intensiven Einheiten.
Im Durchschnitt blieben die Sportler aller Segmente unterhalb der erwarteten Wochenkilometer und Wocheneinheiten, die ich auf Basis gängiger/populärer Marathontrainingsplänen (bspw. Runner’s World oder Steffny) erwartet hätte. Legte man diese Pläne zugrunde, wäre mit einem 30-40% höheren Kilometerumfang und weiteren 1-2 Einheiten pro Woche zu rechnen gewesen.
Längste gelaufene Einzeldistanz in der Vorbereitung
Typischerweise sehen die bekannten Trainingspläne an mehreren Wochenenden lange Läufe vor, um die Fettverbrennung des Körpers und die mentale Härte der Läufer zu trainieren. Im Folgenden finden sich die längsten absolvierten Läufe ohne Min/Max gemittelt.
- 3L – 37 km (einige Läufer mit Überdistanzläufen in diesem Segment)
- 3:30L – 32 km
- 4L – 30 km
- 4:30L – 25 km
- 5L – 23 km
Hierbei war auffällig, dass schnellere Läufer nicht nur längeren Distanzen bei den Fettverbrennungsläufen liefen. Sie absolvierten außerdem häufiger lange Läufe: Sub 3:00 Marathonis liefen durchschnittlich fünfmal eine Distanz von mindestens 30 Kilometern in der Vorbereitung.
Bei vielen 5L dauerte die längste Einheit maximal drei Stunden am Stück an. Sie legten – auf Grund ihrer Geschwindigkeit – dabei allerdings nur eine Distanz von rund 23 Kilometern zurück.
Halbmarathonzeiten
Die Leistungsfähigkeit und die mögliche Zielzeit eines Läufers kann durch ihre Wettkampfzeiten bei Halbmarathons geschätzt werden. Sofern diese eingepflegt und nicht älter als ein Jahr waren, wurden diese ohne Min/Max gemittelt.
- 3L – <1:27 Stunden
- 3:30L – <1:36 Stunden
- 4L – <1:49 Stunden
- 4:30L – <2:01 Stunden
- 5L – <2:12 Stunden
Nicht ganz überraschend lagen die Ergebnisse vieler Läufer in der Nähe der Faustformel, die viele von Herbert Steffny kennen werden: Halbmarathonzeit * 2,11 = Marathonzeit.
- Bei Läufern unter 3:00 Stunden lag der Multiplikator jedoch noch niedriger, etwa bei 2,075.
- Läufer über 4:00 Stunden wiesen hingegen einen höheren Multiplikator aus; dies kann eventuell darauf zurückgeführt werden, dass hier nicht am Leistungslimit gelaufen wurde.
Fazit
Je ambitionierter die Laufziele, desto intensiver war das notwendige Training; insbesondere wurden die Trainingseinheiten deutlich spezifischer. Sicherlich keine große Überraschung…
Die größte Sensation war allerdings, dass sich viele „<3:00 Stunden Läufer“ mit kaum mehr als vier Laufstunden auf ihre Zielzeit vorbereiten konnten – wobei erwähnt werden sollte, dass diese Sportler häufig noch ergänzend Rennrad fuhren und/oder schwammen. Außerdem überraschte, dass Spitzenläufer ihre Ziele mit weniger Training erreichen konnten, als man dies auf Basis von Trainingsplanen erwarten würde.
Die Halbmarathonzeiten der beobachteten Sportler zeigten aber, dass „<3:00 Stunden Läufer“ ihre Form nicht innerhalb von 12 Wochen gewannen, sondern bereits zuvor in einem guten Trainingszustand waren.
Für mich kam bei der Analyse eine interessante Erkenntnis über mich selbst heraus. Die Anzahl der Trainingsstunden und geleisteten Kilometer alleine machen aus mir auch noch keinen <3:00 Stunden Marathoni, denn mit durchschnittlich 70 Wochenkilometern müsste ich mehr erreichen können. Zeit, das Training wieder einmal zu optimieren.
13 Kommentare
Wußten die „überwachten“ Sportler von ihrem Glück? Sprich waren sie angehalten auch wirklich alle Einheiten einzupflegen? Bei mir beispielsweise sind ja nicht alle Einheiten in Strava, weil ich ja eigentlich Runalyze verwende.
Nein, es erfolgte nur eine Auswertung der öffentlich zugänglichen Daten. Es kommt daher zu der erwähnten Unschärfe, da ich davon ausgehen muss, dass nicht alle Einheiten erfasst wurden. Auch ein Defekt der verwendeten GPS-Uhr würde zu fehlenden Kilometern führen…
Ich denke einfach, dass manche Läufer nicht alles hochladen, oder einfach bestimmte Trainingseinheiten auf privat stellen.
Stimmt Tom, das halte ich auch für möglich. Sehr kurze Läufe schaffen es auch bei mir nicht auf Strava…
Hi Julian,
interessante „Studie“.
Was für mich nicht ganz zusammen passt sind die im Schnitt 4 Wochenstunden Training bei den sub 03 Läufern und die höhere Anzahl an über 30 km Läufen. Da sind dann schon 3 Stunden der 4 weg. Bei 5 Einheiten die Woche wäre der Rest äußerst kurz.
Krankheits-, Verletzungs und berufsbedingte Pausen reduzieren die durchschnittliche Kilometerzahl des weiteren ungewollt.
Aus meiner eigenen Erfahrung mit einigen Finishs unter 03:00 std. kann ich nur sagen, dass ich zum einen Unterdistanzzeiten auf dem HM von unter 01:23 std. gebraucht habe und im Schnitt eher 60 – 80 Wochenkilometer (in der Spitze 100 km). Ich denke das ist aber auch sehr individuell, hängt viel von der Erfahrung auf der Strecke ab, der Lauferfahrung allgemein, begleitendem Training (alternativ, Koordination, Stabi usw.), Verletzungsresistenz und natürlich sicher auch etwas Talent.
Mit laufenden Grüßen Wiesel
Moin Wiesel,
auch ich war überrascht; wobei kaum mehr als vier Laufstunden hier als 4 1/4 Stunden zu interpretieren ist und auch nicht alle Sub 3:00 Stunden Läufer so wenig Zeit brauchten. Auch sind hier nur die Laufstunden eingerechnet (Stabi oder Functional Training sind nicht hinzugerechnet). Bei dieser Art der Datengewinnung bleibt das Risiko, dass zudem nicht alle Läufe erfasst wurden – schließlich sehe ich nur die Läufe, bei denen die GPS-Uhr mitlief…
Bei den betrachteten Sub 3:00 Stunden Läufern nahmen die Long Slow Distance Läufe aber einen überdurchschnittlichen zeitlichen Anteil von 20-25% am Training ein – in meinem Trainingsplan sind dafür bspw. nur 12% vorgesehen. Dafür waren bei den schnellen Läufern auch kurze, sehr harte Intervalle von deutlich unter einer Stunde zu finden…
Deine Erfahrung deckt sich interessanterweise auch mit meiner Erwartung. Selbst der Sub 3:15 h Trainingsplan (16 Wochen), den ich mir herausgesucht habe, hat in den Regenerationswochen schon 45 Wochenkilometern und einen Peak vier Wochen vor dem Marathon mit 105 Wochenkilometern.
Sportliche Grüße aus Hamburg
Julian
Danke für die spannende Auswertung – ich bin auch mitglaufen und denke, dass ich mit meinem Training insofern schon gut aufgestellt war, wenn ich deine Auswertung ansehe.
Danke für die spannende Auswertung – ich bin auch mitglaufen und denke, dass ich mit meinem Training insofern schon gut aufgestellt war, wenn ich deine Auswertung ansehe.
Gratulation zu der Zeit… Du warst ja fast 10 Minuten vor mir im Ziel!
Das Gemeine ist ja: Normalsterbliche müssen wohl deutlich mehr Zeit in ihr Training stecken, insbesondere wenn sie noch nicht so lange laufen.
Toller herausragender Artikel!
Bekommst Du die Tabelle vielleicht noch etwas übersichtlicher dargestellt? Ohne Lesen der Erklärung im oberen Absatz war für mich als „Normalsterblicher“ die Deutung unmöglich. Vielleicht die Legende direkt neben die Tabellen schreiben u. leicht abändern? Ich hab mal grafisch was erstellt. Wenn es Dir gefällt darfst Du es einbauen und sharen.
> Die Anzahl der Trainingsstunden und geleisteten Kilometer alleine machen aus mir auch noch keinen <3:00 Stunden Marathoni, denn mit durchschnittlich 70 Wochenkilometern müsste ich mehr erreichen können.
Regenerationszeiten nicht eingehalten?;)
Ich glaube es hängt sehr viel von der Lauferfahrung und auch von der langfristig antrainierten Grundlagenausdauer und Regenerations-„geschwindigkeit“ ab. Habe nach meinem ersten Marathon drei oder vier Jahre zeit- und umfangintensives Training gebraucht, um an die 3:30 ran zu kommen. Hier hatte ich teilweise Wochen in den Plänen, die zwischen 75 und 100 Laufkilometer vorsahen.
In den vergangenen beiden Jahren kam ich mit drei bis vier Einheiten bei 4h bis 6h pro Woche aus und komme ohne größere Probleme zwischen 3:30 und 3:40 ins Ziel. Den größten „Schub“ in Sachen Zielzeit hatte ich in dem Jahr, in dem ich ausschließlich auf Halbmarathon trainiert habe und hier meine PBZ um knapp 10 Minuten verbesserte (1:43 > 1:33) – im Folgejahr schlug das 1:1 auf die Marathon-Distanz durch (3:33 > 3:23). Der Faktor 2,11 haut bei mir also nicht richtig hin 🙂
bei mir als sub 4h Läufer (exakt 3:57 nun schon das zweite Jahr)
stimmt die Auswertung exakt mit Halbmarathon und Trainingszeiten überein.
Fazit für mich: Training entsprechend anpassen und NICHT ERST 8 Wochen
vor dem Marathon ernsthaft zu trainieren beginnen. Ich habe beschlossen,
täglich min. 5 km 11-16kmh Intervall zu laufen um die Kondition zu halten
und die Grundlagen-Ausdauerstunden deutlich zu erhöhen. Jedes Monat
einen Halbmarathon, am liebsten einen echten. Ich weiss jetzt: Wenn ich
zu den 3:30 gelangen möchte, muss der Halbmarathon auf 1:35 runter.
Es wird Zeit, dann neuerdings laufe ich in der Klasse M60 😀
[…] » Etwas älterer Artikel von Laufmotivation aber umso interessanter. Wieviel Vorbereitungszeit braucht man für ein Finish im Marathon unter drei Stunden? […]