Der menschliche Körper ist erstaunlich anpassungsfähig und lernt bei einer limitierten Kohlenhydratversorgung, stärker auf andere Energiequellen – insbesondere Fett – zurückzugreifen. Daher finden sich in allen (Halb-)Marathon-Trainingsplänen lange, langsame Läufe in niedrigen Pulsbereichen, deren wichtigstes Ziel es ist, den Fettstoffwechsel zu trainieren. Wird auch im Anschluss an die Einheit auf den Konsum von Kohlenhydraten verzichtet, verstärkt sich der Effekt sogar noch. Daraus entstand die Idee, den Körper über eine möglichst lange Zeit bei einem geringen Kohlenhydratvorrat zu trainieren, um diese Optimierung zu begünstigen. Doch es geht auch einfacher… und mit weniger Verzicht!
Was passiert beim Training mit leerem Kohlenhydratspeicher?
Dem Körper stehen (im Wesentlichen) zwei Energiequellen zur Verfügung: Kohlenhydrate und Fette. Ähnlich wie bei einem Hybridfahrzeug unterscheidet sich dabei, wofür diese jeweils zum Einsatz kommen und wie groß die jeweiligen Energie-Speicher sind:
- Kohlenhydrate werden in Form von Glykogen (ein Vielfachzucker) gespeichert. Diese Hauptenergiequelle, welche zu etwa einem Drittel in der Leber und zwei Dritteln in der Skelettmuskulatur vorgehalten wird, ist schnell verfügbar und wird für intensive, schnelle Trainings benötigt. Muskeln greifen initial auf eigene Vorräte zu; der Speicher in der Leber wird bei Bedarf wieder zu Glucose aufgespaltet und über den Blutkreislauf zur Verfügung gestellt.
Ein Nicht-Sportler hat einen Glykogenspeicher von etwa 300-400 Gramm; ein trainierter Ausdauersportler kann auf etwa 500-600 Gramm Glykogen zurückgreifen. Bei einem Brennwert von 4,1 kcal pro Gramm ist dies ausreichend, um unter intensiver Belastung Energie für 90 Minuten zu liefern. Durch Energiegels können im Wettkampf zusätzlich noch (begrenzt) Kohlenhydrate zugeführt werden. - Der Fettstoffwechsel läuft – im Vergleich zur Energiebereitstellung durch Glykogen – langsamer ab, so dass keine großen Energiemengen kurzfristig bereitgestellt werden können. Dafür sind die Fettspeicher – im Vergleich zu den Glykogenspeichern – quasi unbegrenzt.
Alter Frauen –
KörperfettanteilMänner –
Körperfettanteilniedrig normal hoch niedrig normal hoch 20–39 < 21 % 21–33 % >33 % < 8 % 8–20 % >20 % 40–59 < 23 % 23–34 % >34 % < 11 % 11–22 % >22 % 60–79 < 24 % 24–36 % >36 % < 13 % 13–25 % >25 % Fettgewebe besteht nicht zu 100 % aus Fett und erreicht daher nicht den gleichen Brennwert; trotzdem stellt ein Kilo Körperfett etwa 7.000 kcal Energie bereit. Wendet man die Faustregel zum Energieverbrauch beim Laufen an (ca. 1 kcal pro kg Körpermasse und Kilometer gelaufener Strecke), wird klar, dass auch schlanke Menschen mit so einer Energiereserve die 780km von Kiel bis nach München laufen könnten – wer etwas beleibter ist, käme zu Fuß bis nach Moskau.
Stehen dem Körper nicht genug Kohlenhydrate während des Trainings zur Verfügung, weil die Glykogenspeicher durch eine lange Einheit oder durch Verzicht auf Kohlenhydrataufnahme erschöpft sind, wird er verstärkt zur Fettverbrennung während der Einheit gezwungen. Nach der Sporteinheit sollte der Nachbrenneffekt (die Phase erhöhter Energiebereitstellung) genutzt und weiterhin auf die Kohlenhydratzufuhr verzichtet werden. Denn der Konsum von Kohlenhydraten löst im Körper die Ausschüttung Insulin aus und blockiert so schnell den Fettstoffwechselvorgang.
Als Folge des Trainings passt sich der Körper durch die verstärkte Bildung von Mitochondrien an die „Mangelsituation“ an. Mitochondrien werden gerne als „Kraftwerke der Zellen“ bezeichnet, da sie Adenosintriphosphat (ATP) produzieren: den universellen Energieträger für alle Zellen.
Mitochondrien verfügen über eine eigene DNA, vermehren sich unabhängig von ihrer Mutterzelle und werden nur von der Mutter über das Plasma der Eizelle vererbt. Dies spricht für die Theorie, dass Mitochondrien sich aus eigenständigen Lebewesen entwickelt haben, die im Zuge des Evolutionsprozesses eine Endosymbiose mit einer anderen Zelle eingegangen sind. In der neuen Wirtszelle koexistierten sie zum gegenseitigen Vorteil und begünstigten die Entwicklung höherer Lebewesen.
Durch die zusätzlichen Mitochondrien kann der Anteil der Energiebereitstellung durch den Fettstoffwechsel erhöht und auch bei Einheiten mit hoher Intensität noch Fett verbrannt werden.
Positiver Nebeneffekt: Durch die erhöhte Zufuhr von Eiweiß und Fett kommt es nicht zu starken Insulin-Schwankungen wie bei der kohlenhydratreichen Ernährung und damit auch nicht zu untertägigen Heißhungerattacken. Zudem schwinden die Fettpölsterchen und sorgen so für ein niedrigeres Wettkampfgewicht, das noch einmal schneller macht.
Periodisierung statt komplettem Verzicht
Zwar lässt sich durch den Kohlenhydrat-Verzicht der Fettstoffwechsel trainieren, jedoch bleibt laut Studien eine Leistungssteigerung dann oft aus. Denn durch die geleerten Kohlenhydratspeicher fallen intensive Trainings schwer, da nicht schnell genug Energie zur Verfügung steht. Der Athlet kann nicht mehr ausreichend hart trainieren und durch die reduzierte Intensität des Trainings ist es nicht mehr so effektiv.
Es gilt daher das „train low – compete high“-Prinzip bei Ernährungsplänen für Ausdauersportler: Dieses sieht vor, das normale Training kohlenhydratarm zu gestalten. Stehen Wettkämpfe / Tempotraining / harte Einheiten an, werden Kohlenhydrate als schnelle Energiequelle zugeführt. Größter Befürworter in Deutschland ist Dr. Wolfgang Feil, dessen Buch Was erfolgreiche Sportler anders machen quasi als Standardwerk der Sporternährung gilt – sowohl für ambitionierte Sportler, Profis und Hobbysportler. Der Erfolg gibt Recht und Spitzensportler (wie Jan Frodeno oder Arne Gabius), Bundesligavereine und Nationalmannschaften lassen sich von ihm beraten.
Schluss mit dem Irrglauben!
Wer Fett verbrennen will, muss nicht langsam beim Fettverbrennungspuls laufen. Zwar ist der Anteil an Energie aus der Fettverbrennung bei lockerem Joggen (etwa 70%) höher als bei einem Lauf mit hoher Intensität (etwa 40%). Aber der Energieumsatz ist bei Einheiten mit hoher Belastung deutlich höher, so dass effektiv mehr Fett verstoffwechselt wird. Hohe Belastungen verstärken zudem den Nachbrenneffekt.
Die umfangreichste Studie zu diesem Thema kommt aus Frankreich und zeigt, dass diese Periodisierung (kohlenhydratreich vor harten Einheiten, kohlenhydratarm sonst) bereits nach 3 Wochen zu 3% Leistungssteigerung führt. Andere Studien verweisen auf >6% Steigerung binnen 6 Wochen. Sportler, die ihre Kohlenhydratzufuhr periodisieren, haben eine um 300% höhere Konzentration des Enzyms im Blut, das die Mitochondrienbildung steuert – im Vergleich zu Sportlern, die durchgängig Kohlenhydrate essen.
So einfach lässt sich Periodisierung mit „Sleep Low“ umsetzen
Wer schneller werden will, setzt auf einen einfachen Trick, um die Periodisierung umzusetzen: „Sleep Low“! Dabei werden vor einem intensiven Training ausreichend Kohlenhydrate gegessen, um die Leistungsfähigkeit zu sichern. Nach der intensiven Einheit am Nachmittag oder Abend sind die Glykogenspeicher entleert. Nun werden für die restlichen Stunden des Tages keine Kohlenhydrate mehr konsumiert; Eiweiß und Fett sind erlaubt, ein zuckerfreier Eiweißshake schützt sogar vor Muskelschwund. Die Einheit am nächsten Tag findet entweder nüchtern oder nach einer kohlenhydratfreien Mahlzeit statt. Nach der Einheit kann noch einmal auf Kohlenhydrate verzichtet werden, um länger vom hochgefahrenen Fettstoffwechsel zu profitieren.
Durch den Verzicht auf Kohlenhydrate nach der intensiven Einheit wird während des Nachbrenneffekts verstärkt auf Fettgewebe zurückgegriffen und bereits in der folgenden Schlafphase beginnt der Körper mit der Adaption.
In Summe muss die Menge an Kohlenhydraten übrigens nicht reduziert werden. Zu den Mahlzeiten, bei denen Kohlenhydrate erlaubt sind, kann also gerne zugegriffen werden. Etwa 6 Gramm pro Kilo Körpergewicht dürfen es im Mittel pro Tag sein.
Zusammenfassung
Beim „Sleep Low“-Trick wird eine intensive Trainingseinheit abends mit vollen Glykogenspeichern absolviert. Dem folgt eine morgendliche Einheit mit geringerer Intensität. Zwischen beiden Einheiten werden keine Kohlenhydrate konsumiert. Erste Erfolge stellen sich schon nach wenigen Wochen ein!