Bereits vor Weihnachten hatte ich mir die Polar M600 gekauft und wenn ich ehrlich bin, ist es ein echter Spontankauf gewesen. Eine zuverlässige Laufuhr hatte ich bereits – ebenso eine Smartwatch. Außerdem lag zu diesem Zeitpunkt bereits eine andere Laufuhr für einen Test auf meinem Schreibtisch. Und trotzdem… von der Polar M600 ging eine Faszination aus. Die erste Android Wear Uhr von Polar, die nun auch für das iPhone geeignet sein sollte. Spannend! Also war für mich klar, dass ich die Polar M600 einem Test unterziehen musste. Dass ich dabei länger brauchen sollte, als ursprünglich geplant, war allerdings auch eine Überraschung.
Mit der bereits Q3/2016 erschienenen M600 stößt Polar nun gezielt in das Smartwatch-Segment vor. Eigentlich nicht verwunderlich, wenn man betrachtet, wie viele Uhren sich in diesem Bereich verkaufen lassen. Polar betritt damit Neuland, denn bisher lag der Fokus auf Multisportuhren, die fürs Laufen und Triathlon optimiert waren, und auf Fitnesstrackern. Die neue Polar M600 ist als Brückenschlag oder als Spagat zwischen zwei Welten zu sehen: Eine Kombination aus Sportuhr und Smartwatch.
Die wichtigsten Daten der Polar M600 auf einen Blick
Wer nur die Rahmendaten der Polar M600 sucht und es eilig hat, findet hier die wichtigsten Infos:
Typ | Smartwatch mit Multisport- und Fitnesstracker-Features sowie optischer Herzfrequenzmessung |
Display |
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Maße |
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Chip: |
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Speicher |
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Batterie | 500 mAh, wiederaufladbar |
Sensoren intern |
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Konnektivität | Bluetooth 4.2, WLAN IEEE 802.11 b/g/n |
Unboxing
Bereits auf der Verpackung macht Polar klar: Die M600 will nicht noch eine Sportuhr sein. Der Hersteller bezeichnet sie daher als Smartwatch mit Fitnessfunktionen. Die Packung öffnet sich durch Aufklappen und gibt gleich noch weitere Hinweise auf die Fähigkeiten des Smartwatch-Sportuhr-Hybriden. Übrigens hätte etwas festere, dickere Pappe den erste Eindruck etwas wertiger ausfallen lassen.
In der Box ist eine Kurzanleitung enthalten, die Polar M600 und das Ladekabel. Ein USB-Netzteil ist nicht dabei, sollte aber heute in jedem Haushalt in ausreichender Stückzahl vorhanden sein.
Auch bei der Polar M600 kommt wieder ein proprietäres Ladekabel zum Einsatz, dass auf den ersten Blick dem der Polar V800 sehr ähnlich sieht – allerdings nicht kompatibel ist. Das Ladekabel wird nicht fest aufgeklippt, sondern hält dank eines Magneten. Oder sollte dies theoretisch. In der Praxis rutscht das Kabel häufig ab, wenn die Uhr unvorsichtig abgelegt wird. Ärgerlich, wenn man kurz vor einem Lauf plötzlich merkt, dass die Batterie immer noch leer ist.
Erhältlich ist die Polar M600 in schwarz und weiß direkt bei Polar und in anderen Farben bei Drittanbietern. Wem die initiale Farbe seiner Polar M600 eines Tages nicht mehr gefällt, der kann diese natürlich ändern. Einfach ein Wechselarmband kaufen, den Polar-M600-Tracker herauslösen und binnen Sekunden in das neue Armband einsetzen.
Das Armband ist angenehm flexibel geworden und liegt weich auf der Haut. Leider zieht das Material Fussel und Staub regelrecht magisch an. Die metallische Schließe wirkt massig, fast etwas überdimensioniert, erfüllt ihren Zweck aber ausgezeichnet. Auch vom Gewicht trägt sich die Polar M600 übrigens angenehm. Gerade einmal 63 Gramm und das bei einer Größe, die mit der Polar V800 (die hat 82 Gramm) vergleichbar ist.
Im Vergleich zu anderen Pulsuhren mit integriertem Sensor ist die Polar M600 etwas dicker. Die Unterseite zeigt die größte Neuerung: Den neuen HR-Sensor, der nun auf sechs LEDs zur optischen Herzfrequenzmessung am Handgelenk setzt. Polar geht neue Wege, lobt die unerreichte Genauigkeit. Und vertraut auf die neue Technik, denn auch die Polar M430 setzt auf den neuen Sensor.
Für das Setup der Uhr wird Android Wear auf dem Smartphone benötigt. Seit Android Wear 2.0 wird auch das iPhone unterstützt. Jedoch erwies sich der Betrieb so unzuverlässig, dass ich nach vier Wochen Test auf ein Android wechseln musste, um überhaupt zu einem Ergebnis zu kommen.
Das Koppeln erweist sich mitunter als schwierig und braucht dann mehrere Anläufe. Falls es nicht auf Anhieb klappt und die Verbindung immer wieder abbricht, hier der Einrichtungstipp:
- Polar M600 auf Werkseinstellung zurücksetzen
- Cache auf dem Android-Smartphone von Google Diensten, Google und Android Wear löschen
- Polar M600 neu starten
- Android-Smartphone neu starten
- Pairing über Android Wear auf dem Smartphone durchführen
- Fertig
Anschließend sollte es nicht mehr zu Verbindungsabbrüchen kommen.
Leider musste ich feststellen, dass die Software eher buggy ist. Es kommt beim vorliegenden Testgerät häufiger zu Reboots und Abstürzen.
Was die Polar M600 ist und was sie eben nicht ist
Die Polar M600 ist in erster Linie keine Sportuhr, sondern eben eine Smartwatch. Auch wenn erst einmal Polar drauf steht und das Polar-Ziffernblatt mit dem Schrittzähler einen anderen Eindruck vermittelt.
Betrachtet man die Uhr von der Softwareseite, dann besteht die Polar M600 vor allem aus der Android-Wear-Software. Diese ergänzt Polar nur. Das liegt in der Natur des verwendeten Betriebssystems. Ähnlich wie viele Android-Smartphones das Basis-Betriebssystem von Google verwenden und oftmals nur minimale Herstelleranpassungen oder -ergänzungen an der Software vornehmen. Die komplette Steuerung der Polar M600 unterscheidet sich daher nicht sonderlich von jeder beliebigen anderen Android-Watch, aber eben von allen anderen Polar-Uhren, die ich kenne. Mittels Wischgesten und Antippen wird zwischen den Bildschirmen und Menüs navigiert und Elemente ausgewählt. Der linke Knopf startet den Android Wear App Launcher. Polars Anpassung – ihr Branding – besteht in der vorinstallierten Polar App und mit dem zusätzlichen Knopf unter dem Display, mit dem eben diese App (schnell-)gestartet werden kann.
Bis auf die Polar-App kommen ansonsten nur „Standard-Funktionen“ von Android Wear zum Einsatz: Angefangen von Google Fit bis hin zur Musik-App. Für letztere ist nicht zwingend ein gekoppeltes Smartphone notwendig, denn der 4GB große interne Speicher ist durch Firmware und Apps am Anfang nicht einmal zur Hälfte gefüllt: Genug freier Platz für zahlreiche Musik-Titel, um über Stunden Unterhaltung zu bieten, wenn man keine übertriebene Qualität wählt. Überspielt werden diese vom gekoppelten Android-Smartphone (vom iPhone gelingt zumindest mir das nicht).
Da es keinen Kopfhörerausgang gibt, werden Bluetooth-Kopfhörer zum Abspielen verwendet. Im Test habe ich sehr gute Erfahrung mit den Urbanears Stadion gemacht, da diese eine tolle Akkulaufzeit haben und sehr gut sitzen.
Natürlich lassen sich auch portable Bluetooth-Lautsprecher schnell anbinden. Bei einer Tour, bei der ich mit einer Lauf-Crew unterwegs war, konnte ich dies ausgiebig testen – der Bluetooth-Lautsprecher fuhr dabei auf dem Begleitfahrrad. Und solange der Abstand zwischen Uhr und Lautsprecher unter fünf Metern bliebt, war die Musikqualität wirklich ordentlich.
Die Polar-App ist natürlich für die Sportaufzeichnung auf der Polar M600 zuständig und lässt sich erwartungsgemäß intuitiv bedienen. Die Funktionen sind in drei Menüs gegliedert: „Training“, „Mein Tag“ und „Synchronisieren“.
Als Android Wear beherrscht die M600 natürlich auch Multi-Tasking: Die Aufzeichnung der Sportaktivität kann in den Hintergrund verschoben werden und läuft dort weiter. So kann man beispielsweise unterwegs Google Maps starten, um damit man nach Hause zu navigieren.
Display der Polar M600
Das Farbdisplay bietet einen guten Kontrast und ist so auch gut im Hellen ablesbar. Es reagiert schnell aus Tipp- und Wischgesten, auch wenn eine Schutzfolie aufgebracht wird. Dank Corning Gorilla Glass 3 wäre letzteres aber kaum notwendig, da das Display sehr kratzfest ist. Selbst bei leichtem Regen, wenn sich einzelne Tropfen auf dem Display sammeln, ist die Gestenerkennung noch gut – deutlich besser als beispielsweise bei der Apple Watch. Ist das Display aber einmal klatschnass, dann ist aber auch bei der Polar M600 Schluss.
Das Display kann so eingestellt werden, dass es nur durch Gesten (u.a. Arm heben) aktiviert wird oder beim Sport durchgängig eingeschaltet bleibt. Natürlich ist die gestenbasierte Aktivierung deutlich stromsparender. Leider wird das Display häufig unbeabsichtigt durch Armbewegungen (bspw. beim Lenken im Auto oder Arbeiten am Computer) aktiviert, so dass das Stromsparpotential nicht richtig ausgeschöpft wird.
Fü den Test habe ich mich trotzdem nach kurzer Zeit dafür entschieden, das Display der Polar M600 permanent anzulassen, da ich es immer ablesen können wollte. Und da die Smartwatch leider bei weitem nicht so reaktionsschnell wie bspw. die Apple Watch 2 ist, war die gestenbasierte Aktivierung für schnelle Einheiten oder Wettkämpfe keine Option. Übrigens: Für die volle Beleuchtung kann auch einfach der seitliche Knopf kurz gedrückt werden.
Sport- und Fitnesstracker-Funktionen der Polar M600
Natürlich beherrscht die Polar M600 die Pulsmessung und setzt auf einen neuen Sensor mit sechs LEDs, der wirklich zuverlässig misst. Allerdings enttäuscht es, dass nicht 24/7 gemessen wird, sondern lediglich während der sportlichen Aktivitäten. Zusätzlich kann noch eine „Individualmessung“ im Menü ausgelöst werden. Das ist nicht mehr richtig zeitgemäß und dient voraussichtlich dem Stromsparen, um die ohnehin kurze Akkulaufzeit nicht noch weiter zu verkürzen. Etwa sieben Stunden Training macht der Akku (komplett geladen und ohne Musik) mit, wenn es nicht zu kalt ist.
Die Schritterfassung hingegen erfolgt rund um die Uhr und muss nicht gesondert gestartet werden. Die Werte liegen (bei mir) etwa 20% über den Schritten, die das iPhone zählte bzw. die parallel getragene Garmin fēnix 3 HR während des ersten Teils des Tests und die Garmin fēnix 5 während des zweiten Teils.
Neben den „Standard-Sportarten“ unterstützt die Polar M600 auch einige exotische Sportarten; unter anderem sind Fitness, Laufen, Radfahren, Reiten, Schwimmen, Teamsport, Segeln, Golf und auch Les Milles verfügbar.
Die Schlaferfassung der Polar M600 erfolgt automatisch; die Uhr erkennt, wenn der Träger sich schlafen legt und protokolliert Tiefschlafphasen wie auch unruhigen Schlaf. Der (deaktivierbare) Inaktivitätsalarm mahnt alle 55 Minuten zum Aufstehen und Bewegen; für Menschen in sitzender Tätigkeit ideal, um dem Rücken gelegentlich etwas Bewegung zu gönnen. Ein Alleinstellungsmerkmal ist ein solcher Alarm allerdings längst nicht mehr. Das können fast alle aktuellen Fitnesstracker.
Ein automatisches Erfassen von Sporteinheiten, wie dies bei den Fitnesstrackern von Fitbit und Garmin verfolgt wird, ist leider Fehlanzeige. Schade, denn auch wenn die Umsetzung bei den Anbietern unterschiedlich gut funktioniert, ist es sympathisch, wenn Spaziergänge oder Radfahrten automatisch ohne Start des entsprechenden Sportmodis aufgezeichnet werden.
Fazit zur M600
Die Polar M600 ist keine Sportuhr für begeisterte Ausdauersportler – eher eine Smartwatch für sportinteressierte Technikliebhaber. Allerdings wirkt die Polar M600 noch immer technisch unausgereift und die häufig auftretenden Verbindungsabbrüche, die der Nutzer selbst lösen muss, sind nur ein Teil der Probleme – ein Reboot während einer Sporteinheit ist schon wirklich frustrierend.
Obwohl die Polar M600 auch mit dem iPhone funktionieren soll, konnte ich keinen stabilen Betrieb realisieren und habe nach einigen Tagen aufgegeben. Vorerst bleibt die Polar M600 damit für mich ein Gadget, das den Android-Nutzern vorbehalten ist.
Schade: Die Polar M600 sollte der Spagat zwischen Fitnessuhr und Smartwatch werden, gelungen ist dies leider nicht… ungewöhnlich für Polar. Da trösten das stabile GPS-Signal und die installierbaren Apps leider nicht wirklich.
Wer auf die Smartwatch-Features verzichten kann, bekommt für weniger Geld die Polar M430, die eine exzellente Laufuhr ist und die ich ohne Bedenken empfehlen kann.
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Polar M600
Pros
- Weitere Android-Apps (wie Endomondo, MyFitnessPal oder TrainingPeaks) erweitern die Fähigkeiten; selbst Spiele möglich
- Angenehm zu tragen
- Mit Polar Flow sind die Daten übersichtlicher aufgearbeitet und die Trainingspläne besser als bei jedem Mitbewerber
- Hohe GPS-Genauigkeit
- Software buggy
Cons
- Akkulaufzeit mit 7h nicht beeindruckend
- keine 24/7 Pulsmessung
- kein Audiofeedback nur Vibration
- funktioniert nur mit einem Android-Phone zuverlässig
- Initale GPS-Ortung langsam
4 Kommentare
Well said: ich bin von dem V800 (es ist ein „er“, wie mir Polar versicherte) auf die (?) M600 umgestiegen, weil mich in erster Linie die Pulsmessung am Handgelenk gelockt hat – und die Smartwatch-Funktionen auch nicht uninteressant klangen. Mittlerweile denke ich, dass es eher ein Abstieg als ein Umstieg war und ich teile Dein Fazit. Die M430 ist sicherlich die bessere Wahl. Aber ehrlich gesagt spiele ich mit dem Gedanken, (zurück) zu Garmin zu wechseln. Aber schaun wir mal…
Tatsächlich ist es schade, denn die Smartwatch hatte echtes Potenzial.
Bin gespannt auf deinen Urteil zur M430, wenn es soweit kommt.
Test
Danke Julian für deinen tollen Testbericht zur M600.
Hast du Erfahrung mit Garmin? Ich brauche eine Sportuhr, mit Apple watch features.; d.h. Musiksteuerung via Smartphone über eine Musikanlage. Danke für deine Idee.