Die Idee klingt wie aus einem Science-Fiction-Film aus den 80er-Jahren: In einem Experiment konnten Forscher die Ausdauer um 70 Prozent verbessern ohne jedes Training. Allerdings waren die Probanden bisher nur Mäuse… Dass die Substanz GW1516 auch beim Menschen wirkt, wird allerdings nicht bezweifelt. Seit 2009 führt die World Anti-Doping Agency (WADA) die Chemikalie, die als Endurobol auf dem Schwarzmarkt verkauft wird, bereits auf der Verbotsliste.
Das Experiment
Im Salk Institute in La Jolla bei San Diego erforscht Ronald Mark Evans mit seiner Firma Mitobridge die Möglichkeiten, die GW1516 bietet. Für die veröffentlichte Studie wurden Mäuse in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe erhielt ausreichend Nahrung in Form von Zucker, Keksen und Brot; die zweite bekam die gleiche Nahrung und dazu noch regelmäßig eine hohe Dosis von GW1516 (40 mg pro kg Körpergewicht). Nach acht Wochen wurden beide Gruppen aufs Laufrad geschickt und die Ergebnisse sprechen für sich: Die Kontrollgruppe machte nach 160 Minuten schlapp, die GW1516-Mäuse liefen 270 Minuten lang und hielten damit 70% länger durch.
Damit zeigt das Präparat ähnliche Auswirkungen wie wochenlanges Ausdauertraining: Der Körper der Mäuse nutzt früher die Fettreserven zur Energiegewinnung; der Blutzuckerspiegel sinkt langsamer und später. Die Muskeln arbeiten so effektiver, die körperliche Erschöpfung setzt später ein und der Organismus ist länger belastbar und fit. Allerdings finden ohne Training keine Veränderungen an der Muskulatur statt. Nur der Stoffwechsel „optimiert“ sich, so dass die Mäuse weniger zur Gewichtszunahme neigen und stärker auf Insulin ansprechen.Auf den Menschen übertragen heißt dies, dass sich der plötzlichen Leistungseinbruch auf Grund von Kohlenhydratmangel (umgangssprachlich „Mann mit dem Hammer“) deutlich später einstellt, da verstärkt auf Fett- statt Glucosereserven zugegriffen wird. Weitere Studien lassen zudem vermuten, dass die Einnahme von GW1516 in Kombination mit sportlichem Training die Bildung „Ausdauermuskulatur“ (aka Typ-1-Fasern oder oxidative Fasern) verstärkt.
Die Vorgeschichte… und Risiken
GW1516 ist kein unbekanntes Mittel. Bereits in den Neunzigerjahren wurde es von GlaxoSmithKline als Mittel gegen Diabetes erforscht, da es an den Kernrezeptor PPAR-δ andockt, der die Fettsäureoxidation steuert, und den Blutzuckerspiegel senkt. Bei Tierversuchen mit Rhesusaffen zeigte sich außerdem ein verbesserter Stoffwechsel und sinkendes Cholesterol, sowie Gewichtsabnahme und verbesserter sportlicher Belastbarkeit. Es schien, als könnte GW1516 die Antwort auf die Verfettung der ersten Welt und die darauf basierenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein.
Allerdings stellte GlaxoSmithKline die Forschung an dem Medikament 2007 ein und ließ die Ergebnisse in der Schublade verschwinden. Heute ist bekannt, dass dies aus gutem Grund geschah! Denn nach zwei Jahren wurde bei den behandelten Affen Krebs erkannt, der aggressiv in Leber, Magen, Zunge, Haut, Harnblase, Eierstöcke, Gebärmutter und Hoden metastasierte. In Tests konnte später gezeigt werden, dass bereits die Gabe von 3 mg GW1516 pro kg Körpergewicht bei Ratten und Mäusen Krebszellen wachsen ließ. Es war GlaxoSmithKline klar, dass ein solches Präparat nie eine Zulassung der Arzneimittelbehörden erhalten würde.
Verfügbarkeit und Doping
Trotz der nachweislichen karzinogenen Wirkung ist GW1516 insbesondere in Amerika bei Bodybuildern populär. Auch, weil es dort zu „wissenschaftliche Verwendung in Laboren, jedoch nicht für den menschlichen Konsum“ frei verkauft werden kann.
Auch in Deutschland wurden GW1516 bis 2016 in zahlreichen Online-Shops als Supplements verkauft; wenn auch zumeist in niedriger Dosierung als auf der Verpackung angegeben. Heute ist die Beschaffung nur noch über den Schwarzmarkt möglich.
Bereits vor den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking rechnete man mit dem Einsatz von GW1516 als Dopingmittel. Die World Anti-Doping Agency (WADA) ließ daraufhin einen Test entwickeln und nahm GW1516 in die Liste der verbotenen Substanzen auf (gültig ab 2009). Mit Hilfe des Test wurden seit 2012 bereits mehrere Sportler aus dem Rad- und Rennlaufsport des verbotenen Dopings mit GW1516 überführt. Zudem warnt die WADA seit 2013 vor den schwerwiegende, gesundheitlichen Nebenwirkungen des Medikaments!
Ausblick
Auch wenn GW1516 in den letzten Jahren primär als Dopingmittel und Wohlstandsgesellschaftspille von sich reden gemacht hat, zeigen Ronald Mark Evans‘ Experimente auch ein anderes Anwendungsszenario! Eine modifizierten Version wird gerade am Menschen getestet: Als lebensverlängernde Therapie für Menschen mit Muskeldystrophie, denen auf Grund der schwindenden Herz- und Atemmuskulatur oft ein früher Tod droht. Und hierfür scheint eine medizinische Zulassung in einigen Jahren nicht unwahrscheinlich.
Allen anderen sei empfohlen, sich vom Endurobol fern zu halten. Denn auch wenn Foren gerne die positiven Wirkungen diskutiert werden… Wer will für ein bisschen Fitness oder ein paar schnelle Rennen wirklich Krebs riskieren? Wer vom Sixpack oder Siegertreppchen träumt, der wird auch weiterhin an schweißtreibendem Sport und diszipliniertem Essen nicht vorbeikommen.
Wer gerne die Studie lesen möchte, findet sie unter „PPARd Promotes Running Endurance by Preserving Glucose“ veröffentlicht im Fachmagazin „Cell Metabolism“.