[Plattdüütsch]
Wir schreim das Jah 2016 ni Kristi. All Löper sünd inne Winterslaap… All Löper? Vun wegen! Da giepas ein Rott mit steifnackige Feffersäcke, die ümmer noch Sperenzien machn un sich vonne Wintertiet un de scharp Koll nich unnerkriegn lassn.
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Sehr frei nach Asterix
Ja, noch ist es Winter und viele denken bisher nicht einmal daran, wieder mit dem Laufen anzufangen. Allgemeiner Winterschlaf in der Lauf-Community; kann aber auch der Verdauungsschlaf von den weihnachtlichen Völlereien sein. Und trotzdem… Im Stadtpark und an der Alster herrscht weiterhin Betrieb und wer nachts die Ohren aufsperrt, der hört die rhythmischen Schritte der Urban Running Crews durch die Häuserschluchten hallen.
Offensichtlich nicht die falsche Zeit für die verschiedensten Firmen, um die Gunst und das Geld der Läufer zu werben. Von feature-überladenen GPS-Uhren, Highend-Funktionsbekleidung und gedruckten Weisheiten bombardiert, fragt sich sicherlich der eine oder andere Laufanfänger, ob er das alles braucht.
Und es wird eifrig diskutiert… in Foren, Laufgruppen und Zeitschriften. Die Meinungen schwanken offensichtlich von „ein Läufer braucht gleich alles“ bis zu „Back to the Roots, ein Baumwoll-Shirt war auch schon für Rocky genug“.
Nachdem ich diese Unterhaltungen nun auch häufig genug geführt habe, wird es wohl auch Zeit für „my two cents.“
Ordentliche Laufschuhe
Eigentlich meine Lieblingsfrage: „Brauche ich wirklich teure Laufschuhe?“ Als Antwort höre ich oft, dass Schuhe vom Discounter ausreichen würden. Dann greife ich mir immer an den Kopf.
Nichts gegen Discounter im Allgemeinen, die Qualität ist in vielen Bereichen heute sicherlich super. Doch bei verschiedenen Laufschuh-Tests ist der Tenor fast immer eindeutig: Kaum ein Billigschuh wird mit dem biomechanischen Know-how gefertigt, das eigentlich von Nöten wäre; natürlich kann man bei so einem Verkaufspreis auch nicht jede bekannte Technologie einsetzen. So sind eine gute Dämpfung oder ordentliches Abrollverhalten oft Fehlanzeige, siehe exemplarisch Fit for Fun oder Stern.
Da ist es mir auch egal, wenn mir wieder jemand mit der Argumentation „der Fuß ist ein Wunderwerk der Evolution“ kommt, dem kann ich erst einmal nicht widersprechen. ABER! Die Diskussion gilt vielleicht noch, wenn man mal eine halbe oder ganze Stunde läuft und dann auch nur, wenn wir – wie von der Evolution geplant – barfuß laufen. Das tun wir aber nicht. Meistens sitzen wir und laufen im Alltag zu wenig. Sicherlich würden sich Muskeln, Sehnen und Knochen anpassen, aber das dauert seine Zeit (beim passiven Bewegungsapparat etwa 300 Tage). Die Evolution hat sicher nicht vorgesehen, dass wir eines Tages losziehen würden, um einen Halbmarathon oder Marathon zu laufen. Das ist Leistungssport und da sollten wir unseren Körper so gut unterstützen, wie wir nur können.
Vor allem fehlen mir im Nicht-Fachgeschäft zwei Dinge: Der passende Schuh für mich und Beratung.
- Ein Discounter KANN sich nicht den Luxus erlauben, für jeden Fußtyp einen Schuh anzubieten. Idealerweise bietet er also einen Neutralschuh – für Läufer ohne orthopädische Beschwerden. Wer aber den Fuß nicht mittig aufsetzt, sondern nach innen abknickt (Überpronation) oder nach außen (Supination oder auch Unterpronation), der sollte einen stützenden Schuh verwenden. Nicht nur um akute Schmerzen zu vermeiden, sondern auch um chronische Verletzungen zu vermeiden.
- Nur im Fachgeschäft finde ich einen Verkäufer, der nicht bloß auf Umsatz geschult wird, sondern vielmehr noch Ahnung von der Materie hat. Euer Anspruch sollte außerdem ein Laufband vor Ort sein, um per Videoanalyse das Abroll-Verhalten mit dem neuen Schuh zu überprüfen. In speziellen Laufgeschäften ist es nicht unüblich, dass die Mitarbeiter als Qualifikation mindestens eine Marathon-Teilnahme vorweisen können. So ein Mitarbeiter stellt die richtigen Fragen und ist den kleinen Aufpreis wert, den man gegebenenfalls zahlt.
Und wer glaubt, dass die Schuhe vom Aufbau alle gleich sind, der kann ja mal verschiedene (ausrangiertes) Paar Laufschuhe ausschneiden; oder er guckt sich die Bilder/Videos dazu im Internet an. Da zeigt sich schnell, dass ein 12€ Schuh nicht mit einem 120€ Schuh vergleichbar ist.
Wer vorhat, zweimal pro Woche zu walken, der macht vielleicht mit dem einfachsten Schuh nicht viel falsch. Wer wirklich laufen will und irgendwann auch mal die 10 km Marke knackt, dem geht es mit dem richtigen Schuh viel besser. Und was sind schon 80-100€ für ein Vorjahresmodell, mit dem man über 1000 km laufen kann?
Laufratgeber und Trainingsbibeln
Wir alle können laufen, es liegt uns im Blut. PUNKT. Und wir müssen vorher keine 200 Seiten lesen, um zu wissen, wie wir einen Fuß vor den anderen zu setzen haben. Also ignoriert erst mal alle ultimativen gedruckten Weisheiten, Anleitungen zu Atemtechniken und Tipps, wie ihr den Fuß aufzusetzen habt. Schnürt eure Schuhe und lauft los. Das könnt ihr die nächsten Monate machen, ohne dass etwas schief läuft.
Nur zwei Tipps zum Laufen sind wichtig, um Verletzungen vorzubeugen und die bekommt ihr direkt von mir:
- Gönnt euch nach jedem Lauf anfangs einen Tag Pause, damit euer Körper sich regenerieren kann.
- Steigert euren Umfang maximal um 10% pro Woche, damit sich euer Körper (insbesondere der passive Bewegungsapparat) langsam an die neue Anforderung gewöhnen kann.
Funktionskleidung
Ein einfaches Baumwollshirt reicht… nicht! Rocky Balboa hat sich in einen Baumwoll-Trainingsanzug gesteckt und ist gelaufen. Schön für ihn. Aber das war 1976. Himmel, das war vor meiner Geburt!
Heute sind wir technologisch weiter und es ist einfach nicht mehr angemessen, dass das Shirt schweißnass auf der Haut klebt. Und das wäre auch ungesund, denn gerade jetzt im Winter kühlt derartig vollgesaugte Kleidung einen Läufer wahnsinnig schnell aus. Selbst im Frühling oder Herbst kann der Wind (Windchill-Effekt) dafür sorgen, dass sich 5° C wie 0° anfühlen; dafür braucht es nicht mal eine Windgeschwindigkeit von 20 km/h.
Also her mit der Funktionskleidung und in Schichten übereinander getragen. Diese transportiert den Schweiß nach außen, hält trotzdem warm und kostet auch nicht die Welt. Sportkleidung vom Discounter ist ein toller Einstieg!
Trainingspläne
Lauftrainingspläne für Einsteiger braucht niemand. Erst einmal ist es sinnvoll, die Grenzen und Fähigkeiten des eigenen Körpers zu erfahren und da ist es kontraproduktiv, wenn der Trainingsplan für den Tag drei Kilometer mehr vorschreibt, wenn einfach die Luft raus ist. Noch schlimmer: Wer sich überfordert, der verliert nicht nur die Lust, sondern riskiert Verletzungen auf Grund von Überlastung!
Mein Tipp: In den ersten Monaten solltet ihr euch noch nicht ernsthaft mit Wettkämpfen auseinandersetzen, sondern ein vernünftiger Körpergefühl entwickeln. Wenn euch dann nach sechs oder zwölf Monaten der Sinn nach höherem steht, dann könnt ihr an einen Halbmarathon und dann auch an einen Trainingsplan denken.
Laufpartner
Einen Laufpartner braucht man nicht zwangsweise, schaden aber auch nicht – im Gegenteil. Er motiviert, auch bei schlechtem Wetter, treibt an, wenn man gerade mal durchhängt und lässt die Zeit im Nu vergehen. Nur sollte er vom Leistungsniveau zu euch passen; also nicht viel schneller oder viel langsamer sein.
Welche Charakterzüge euer Laufpartner übrigens idealerweise noch mitbringt, das lest ihr hier: Eis am Stiel – Wie man sich trotz Minus-Graden im Winter zum Laufen bringt
Spezielle Ernährung
Eiweiß-Shakes, BCAA-Doping, Natriumhydrogencarbonat als Säureblocker, Enzyme zur Regeneration oder Rote Beete Saft. Unglaublich, was es nicht alles gibt. Noch unglaublicher, wie wenig diese für Läufer überhaupt bringen. Einige davon sind übrigens komplett frei von Wirkung (aber das ist ein anderes Thema). Und ihr braucht nichts davon, auch wenn eine ausgewogene Ernährung sinnvoll ist.
Kurz gesagt: Esst worauf ihr Lust habt. Wenn ihr genug lauft, werdet ihr dann übrigens trotzdem noch abnehmen. Wenn ihr gezielt abnehmen wollt, dann esst 1.500 – 1.700 kcal am Tag und pro gelaufenem Kilometer noch euer Gewicht in kcal (5 km bei 80 kg Gewicht => +400 kcal).
Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Erst in der Wettkampfvorbereitung kann man über Ernährungsoptimierung nachdenken.
Ruhepausen
Ruhepausen sind essentiell. Euer Körper braucht Zeit, um sich anzupassen und kleine Verletzungen zu reparieren. Sonst drohen ernsthafte Verletzungen, für die Laufanfänger auch schon sehr empfindlich sind.
Also gönnt euch, wie oben geschrieben, nach einer Laufeinheit einen Tag Ruhe und genießt es. Regeneration ist Teil des Trainings!
GPS-Pulsuhren
Wie bei den Trainingsplänen gilt: Erst einmal auf den eigenen Körper hören und ohne technische Hilfsmittel laufen. Eine GPS-Pulsuhr, die aktuelle Pace und die Herzfrequenz anzeigt, ist dafür unnötig und schadet eher, wenn man in der Konsequenz als Laufanfänger verzweifelt versucht, in einer bestimmten Zielzeit oder Herzfrequenzzone zu laufen.
Eine GPS-Uhr bietet zwar die Möglichkeit, den eigenen Traingingsfortschritt in Kilometern zu protokollieren und ein Trainingstagebuch zu führen, aber dafür reicht auch das eigene Smartphone und eine App wie Runtastic, die neben der zurückgelegten Strecke auch persönliche Rekorde aufzeigt und über eine riesige Community verfügt. Und wer mit der App glücklich ist, der kann nach einiger Zeit auch für rund 20€ einen Bluetooth-Pulsgurt hinzukaufen.
Wer Lust und Spaß an Gadget hat, dem will ich so eine Uhr nicht kategorisch ausreden. Aber bitte: Guckt beim Laufen über die ersten Monate nicht drauf, sondern guckt euch im Nachhinein an, wie gut es gelaufen ist. Man braucht sie aber nicht! Ich kenne genug schnelle Marathonläufer, die ihre Zielzeiten problemlos ohne Pulsmessung schaffen.
Wer hierzu eine eigene Meinung hat, der kann hier gerne kommentieren. Insbesondere über ein fundiertes FÜR / WIDER freue ich mich immer, denn natürlich stellt auch der Text ob nur meine Meinung dar, die ich mir über die Jahre gebildet habe.
1 Kommentar
Danke für deine Worte.
Ich persönlich überlege seit längerem inwiefern ich mich dem Thema Joggen mal positiv annähren kann. Mir persönlich würde es beim laufen, auch eher um das laufen gehen. „Spielereien“ (ich weiß, ich weiß), wie Marathon, mache ich mir keine Gedanken.
Auch dieses ganze Pace gerede, ist für mich als Statistik Freund, vermutlich schön Grafisch, aber irgendwie auch total konfus und nervig. Bei „Wandern“ Datenfeld hat leider nur noch Pace und so richtig anfreunden, kann ich mich dabei nicht. Aber gut nicht dazu…
Meine Gründe des nicht Joggens sind ein wenig wohl verwirrend, aber vielleicht auch Bekannt. Nebst der Unsicherheit gegenüber „andere“ Jogger, die „Hoch gezogene Augenbraue“, weil man als „Profijogger“ dann vermutlich mehr weiß, als man selbst und danach die Lust verliert….
Neben „wie viel soll ich laufen“?
Stellt sich für mich die Schuhfrage, doch mal ein wenig in den Vordergrund. Wenn ich nebst Wandern und Radfahren zur Arbeit (zumindest morgens 150 Höhenmeter 🙂 ), an Joggen heran wage.
Sollte man direkt auf gut Glück Schuhe kaufen? Meine Meindl GTX Halbschuhe, empfinde ich optisch erst einmal zumindest nicht ganz falsch. Oder die Hallenschuhe mit wenig Profil (vermutlich blöd, wegen Hallenschuhe?).
Meine größte Sorge (neben „Fremdgaffern“ und das obwohl man ländlich lebt 🙂 ), ist meine Sorge, eher wegen meinen „Gelenken“. Natürlich ist immer etwas Belastung dabei.
Durch meine Senk-Knick-Spreiz Füße, würde ich auch niemals Discounter Schuhe, für solche praktischen Fälle kaufen. Auch wenn meine Einlagen schon etwas älter sind *räusper*
Mein Schweinehund tut sich wohl doch durch Tatsachen in den Hintergrund schieben, von denen ich nicht weiß, ob ich Joggen kann. In dem Prinzip damit gemeint, zu wissen, wie man nicht alle Gelenke kaputt macht. Oder sich nicht Über- (Unter..) Belastet.
Da du von vielen Ratgebern zumindest mal eine „Menschliche“ Sicht besitzt, nicht mit Trittfrequenz und Pace und 3 Minuten Power und 3 Minuten Pause, wodurch ich vorher schon die Lust verliere, mal diese Fragen an dich. Oder ob du eine gescheiten Eintrag kennst, die das genauso Neutral befasst.
Es würde mich stark Interessieren, nur sind durch meine „Suche“ nach der richtigen herangehensweise, eher mehr Ängste aufgekommen. Zumal ich auch einer bin, der gewisse Signale manchmal ignoriert oder zu spät bemerke.
Ich hoffe das war jetzt nicht zuviel. 🙂
Viele Grüße
Sven