Vor etwa 50 Jahren entstand eine Theorie, die erklären sollte, wieso Menschen altern oder an Krebs erkranken: Sogenannte „freie Radikale“, kurzlebigen Molekülfragmente auf Sauerstoffbasis, sollen das Erbmaterial und andere Zellstrukturen angreifen. Um freie Radikale unschädlich zu machen, sind Körperzellen in der Lage „Radikalfängern“ produzieren, die den oxidativem Stress reduzieren. Aber auch Antioxidantien, allen voran Vitamine, können als Radikalfängern fungieren. So begann der Siegeszug der Multi-Vitamin-Tabletten.
Und fast jeder von uns hat sie schon einmal eingenommen: Multivitamin-Präparate, Antioxidantien-Tabletten und andere Nahrungsmittelergänzungsprodukte versprechen andauernde Gesundheit, Schutz vor Krebs und Anti-Aging. Doch wie sinnvoll sind diese für einen gesunden Menschen ohne Mangelernährung oder nachgewiesenem Vitamin-Mangel?
In der renommierten Medizinzeitschrift Annals of Internal Medicine, die vom American College of Physicians veröffentlicht wird, finden sich gleich drei Artikel in einer Ausgabe zu diesem Thema. Es wurden die Auswirkungen von Vitaminen und Mineralien auf Probanden untersucht, die nicht unter Mangelernährung litten – die Gabe war also nicht zur Beseitigung eines konkreten Defizits medizinisch indiziert.
Im Rahmen der Publikation Vitamin and Mineral Supplements in the Primary Prevention of Cardiovascular Disease and Cancer: An Updated Systematic Evidence Review for the U.S. Preventive Services Task Force von Fortmann et al. wurden Vitamine auf ihre Schutzwirkung vor altersbedingten Krankheiten überprüft. Dem Team dienten bestehende Studien als Grundlage; sie hatte drei Studien zur Gabe von Multivitamin-Präparaten und 24 Studien zu Einzel-Vitamin- und Kombi-Präparaten analysiert. Bei den 400.000 Probanden konnten keine eindeutigen Beweise für eine positive Wirkung auf Sterblichkeit, kardiovaskuläre Erkrankungen oder Krebserkrankungen gezeigt werden.
In der Studie Long-Term Multivitamin Supplementation and Cognitive Function in Men: A Randomized Trial von Grodstein et al. wurde der Effekt von täglicher Multivitamin-Einnahme zur Verhinderung kognitiver Beeinträchtigung erforscht. Nach 12-jähriger Beobachtung zeigten sich keine Unterschiede zwischen der Multivitamin- und der Kontroll-Gruppen, der nur Placebos gegeben wurden.
Für den Artikel Oral High-Dose Multivitamins and Minerals After Myocardial Infarction: A Randomized Trial werteten Lamas et al. die Auswirkungen von hochdosierten Multivitamin-Präparat auf Herzinfarkt-Patienten aus. Die Auswertung nach 4,6 Jahren zeigte, dass es die Anzahl von erneuten Infarkten genauso hoch ausfiel, wie bei den Studienteilnehmern, denen nur Placebos verabreicht worden waren.
Damit reihen sich die drei zuvor genannten Studien in zahlreiche Untersuchungen ein, die bereits aufzeigen konnten, dass Vitaminen und Mineralstoffen weder präventiven Schutz vor chronischen Krankheiten bieten noch ihr Fortschreiten verhindern, dafür aber schaden können. Insbesondere die Gabe von Vitamin E und β-Carotin (auch als Provitamin A bekannt) erhöhen die Sterblichkeit der Konsumenten; einige Studien legen nah, dass dies möglicherweise ebenfalls auf hohe Dosen von Vitamin A-Präparaten zutrifft. Bei anderen Antioxidantien, Folsäure, Multivitamin- und Mineralstoffpräparate wurde nachgewiesen, dass ihre Einnahme wirkungslos war.
Keine der Studien weist einen positiven Effekt von Nahrungsergänzungsmitteln für Menschen ohne Mangelernährung. Liegt also kein konkretes Defizit vor, haben Mineral- oder Vitaminpräparate keinen klaren Nutzen, sind bestenfalls Geldverschwendung und könnten sogar schädlich sein!
Die gefährlichsten Antioxidantien sind laut aktuellen Erkenntnissen also: Vitamin E, Provitamin A und Vitamin A. Alle drei sind fettlöslich, wodurch sie im Körper gespeichert und ein kritisches Niveau erreichen können.
- Insbesondere Raucher sollten vorsichtig sein, da hohe Dosen von Provitamin A bei ihnen verstärkt zu Lungentumoren führen.
- Der Konsum von Vitamin E erhöht das Diabetesrisiko und Männer erkranken zudem häufiger an Prostatakrebs.
Wasserlösliche Vitamine gelten aktuell noch als ungefährlicher, da eine Überdosierungen dieser vom Körper Überschüsse schnell mit dem Urin augeschieden wird.
5 Kommentare
Nahrungsergänzungsmittel bringen keinen nutzen.
Kann man das Thema so pauschal abhandeln?
Eindeutig nein!
Ich denke das Thema ist zu komplex um es einfach so abzuhaken. Ein genauerer Blick auf einzelne Vitamine und Mineralstoffe ist hier nötig. Zu beginn meines Kommentars möchte ich aber auf die Fettsäuren eingehen.
Eine ganz interessante Fettsäure, gerade auch für Läufer, sind die Omega-3 Fettsäuren EPA und DHA.
Schon mal einen Test gemacht ob du genug von dieser essentiellen Fettsäure aufgenommen hast?
Ich rate dir mal einen Omega-3 Index Test zu machen. Interessant ist hier der Vergleich von Omega-3 zu Omega-6 Fettsäuren. Wer selten Omega-3 reiche Lebensmittel, vor allem fettreiche Kaltwasserfische, zu sich nimmt, wird hier wohl keinen Optimalen wert erreichen. Hier würden Omega-3 Fischölkapseln als Nahrungsergänzung helfen.
Was bringt diese Fettsäure uns Läufern?
• Entzündungshemmende Wirkung
• Machen rote Blutkörperchen und Blutgefäßzellen flexibler und geschmeidig
Und wie sieht es mit deinem Vitamin D Spiegel aus?
Ich nehme seit 2013 Vitamin D auch in hohen Dosen von 10000 i.e. täglich ein. Um nicht zu viel Vitamin D aufzunehmen, lasse ich meinen Vitamin D Spiegel regelmäßig (ca. alle drei Monate) messen. Bei der ersten Messung lag dieser im Februar 2013 bei 27 ng/ml Blut. Da ich mich tagsüber meist in geschlossenen Räumen aufhalte bekomme ich über die Sonne, die die einzige nennenswerte natürliche Aufnahme (über die Haut) ist, nicht genug von diesem Vitamin, was genau genommen ein Hormon ist. Wenn ich laufen gehe steht die Sonne am Abend nicht hoch genug. Sie strahlt kaum noch UV-B aus. Genau wie in den Monaten von Oktober bis April. Andererseits ist gerade bei Sportlern der Bedarf des Vitamins erhöht. Für mich führt hier kein Weg an einer Nahrungsergänzung mit Vitamin D vorbei. Ich versuche dabei einen guten Vitamin D Spiegel von 60 – 90 ng/ml Blut zu halten.
Zuletzt habe ich meinen Vitamin B12 Wert bestimmen lassen:
Ich war überrascht. Obwohl ich gefühlt reichlich Fleisch und Eier verzehre, war mein Vitamin B12 Wert am unteren Grenzwert. Mittlerweile supplementiere ich dieses Vitamin und möchte demnächst noch einmal nachmessen lassen.
Zusammenfassend möchte ich betonen das ich mich mit Ernährung viel beschäftigt habe. Ich halte meine Ernährung nicht für eine Mangelernährung und trotzdem kam es zu Mangelzuständen. Die drei von mir angesprochenen Nahrungsergänzungen sind, denke ich, für viele interessant. Hier ist mir aber Wichtig: jeder muss individuell betrachtet werden!
Pauschale Empfehlungen sind Unsinn.
Das Thema wurde ja nicht pauschal abgehandelt.
„Keine der Studien weist einen positiven Effekt von Nahrungsergänzungsmitteln für Menschen >>ohne Mangelernährung<< auf."
Wenn man sich testen lässt (bswp. Omega 3 oder Vitamin D) und feststellt das ein Mangel vorliegt kann/sollte man das beheben.
Allgemein bin ich aber skeptisch was die richtige Dosis bzw. Grenzwert im Körper ist.
Ein schlechtes Beispiel wäre hier der Cholesterinspiegel, der immer wieder angepasst wird.
Moin Dejan,
Vorweg: Danke, vor deinen langen Kommentar. Ich habe ihn mit viel Interesse gelesen.
Mangel sollte behoben werden, keine Frage. Gerade in Deutschland und noch stärker bei uns im Norden ist der erwähnte Vitamin D-Mangel stark verbreitet – und ich bin ebenfalls nach dem Winter immer mal wieder betroffen.
Es geht aber um den Konsum von Vitamin- & Mineral-Präparaten (insbesondere Kombiprodukten) ohne medizinischen Grund. Um die pauschale Einnahme, in der Hoffnung dadurch gesünder zu werden oder zu bleiben. Und die Rechnung geht leider nicht auf.
Bei der Sterblichkeit zu Provitamin A und Vitamin E ist zu beavhten, dass es die künstlichen Vitamine A und E sind und nicht die natürlichen Komplexe in denen A und E enthalten sind zugeführt werden!
Der Artikel ist zur Hälfte nicht korrekt recherchiert.
Hallo Katharina,
die Studien betrachten insbesondere Präparate mit synthetischer Herkunft. Das heißt aber nicht, dass hohe Dosen „natürlicher“ Vitamine ungefährlich sind. Mittlerweile sind da auch Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt, die Vitamine aus natürlichen Quellen enthalten, die ebenfalls als kritisch gelten, da auch diese zu „Überdosen“ der kritischen Vitamine führen können (siehe exemplarisch Stiftung Warentest zu Juice plus: https://www.test.de/Juice-plus-Teure-Obst-und-Gemuesekapseln-1744055-0/).
Übrigens fasst dieser Artikel nur die drei Studien zusammen und gerne verweise ich noch auch die
– SELECT-Studie (Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial): Abbruch nach rund fünf Jahren, da weder Vitamin E noch Selen das Tumorrisiko senkte, aber Männer in der Vitamin-E-Gruppe an Prostatakrebs erkrankten.
– ATBC-Studie (Beta-Carotene Cancer Prevention) & CARET-Studie (Beta-Carotene and Retinol Efficacy Trial): Deutliche Steigerung des Lungenkrebsrisikos von Rauchern
– VITAL-Studie (VITamins And Lifestyle): Erhöhte Bronchialkarzinome bei den Konsumenten von Vitamin E
Statt (ohne medizinisch nachgewiesenen Mangel) zu Vitamin-Präparaten zu greifen, sollten man sich tatsächlich lieber gesund ernähren. Denn der Konsum von wenigstens zwei Portionen Obst pro Tag senkt laut Untersuchung das Krebsrisiko um 20 Prozent. Allerdings enthält Obst nicht nur Vitaminen, sondern eben noch zahlreiche anderer Substanzen, auf die eine krebspräventive Wirkung zurückgeführt werden kann.