Am 20. Februar 2016, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, trafen sich rund 100 motivierte Läufer aus Amsterdam, Berlin und Hamburg, um gemeinsam den 2. MIDNIGHT HALF der Tide Runners Hamburg zu absolvieren.
Die Vorgeschichte
Am 17. Juli 2014 startete eine bis dahin noch unbekannte Laufgruppe zu ihrer ersten gemeinsamen, offiziellen Runde. Die Gründung selbst habe ich verpasst und auch die ersten 6 Wochen, in denen diese Laufcrew unglaublich schnell an Bekanntheit gewann. Ich selbst stolperte über sie, als ein Artikel in der Welt erschien, der sie als „sexy“ bezeichnete. Genau mein Ding.
Als ich mich der Crew anschloss, gab es schon die Goldenen Regeln, die heute noch unausgesprochen gelten.
Wer wir sind …
1) Der oder die Langsamste gibt das Tempo vor. Danach wird sich mindestens insofern gerichtet, dass in überschaubaren Etappen auf zurückliegende Läufer gewartet wird. Alle freuen sich über die Nachzügler, keiner drängelt, keiner hetzt. Es gibt auch in Hamburg genügend Laufcrews in denen man sich in Sachen Tempo messen kann. Wer bei den Tide Runners die Laufschuhe anzieht, zieht sein Ego aus.
2) Wir laufen immer ca. 15 Kilometer mit mindestens einer Möglickeit auszusteigen oder abzukürzen.
3) Start ist jeden Mittwoch um 21 Uhr die Superbude St Pauli (Juliusstraße Ecke Stresemannstraße). Dort besteht die Möglichkeit Eure Sachen zu hinterlegen. Nach dem Lauf hat die Bar geöffnet, evtl. kann man auch noch eine Kleinigkeit essen. (PS: 21 Uhr heißt 21 Uhr.)
4) Zeig Interesse an dem, der neben Dir läuft. Die Chance ist groß, dass er oder sie saunett ist.
Aus sozialen Gründen möchten wir nicht, das unser LäuferInnen mit Kopfhörern laufen.
5) Wir laufen bei jedem Wetter. Bei jedem.
6) Kalorienzählen, Sportlernahrung, Trainingspläne oder die richtigen Laufschuhe können zwar ruhig mal Thema sein, aber wahrscheinlich ist man woanders besser aufgehoben, wenn man es bei diesen Themen sehr genau nimmt. Bei uns geht’s auch mal um Pale Ale, Politik oder St Pauli, um Katerfrühstück, Klamotten und Kokolores.
7) Wir werden versuchen, immer wieder auch neue Strecken auszuarbeiten und zu laufen, um neue Ecken Hamburgs zu entdecken. Unsere Stadt bietet mehr Laufstrecken als die Runde um die Alster.
8) Die Tide Runners sind seine Läuferinnen und Läufer. Nach innen, wie nach außen. Wir mögen Menschen, die Respekt, Fairness, Offenheit und Kreativität zu schätzen wissen.
9) Wer mitlaufen möchte, muss kein Profi sein, sollte aber konditionell +/- 7 km am Stück laufen können. Den Rest schaffen wir zusammen.
via Facebook / Tide Runners Hamburg
Die Tide Runners wurden seitdem zu der größten Laufcrew Hamburgs und definitiv auch zu der lautesten. Mittlerweile wurde wohl jeder Stadtteil schon einmal in seinen Grundfesten erschüttert, wenn Donnerstagnacht auf die Frage „Wer seid ihr?“ aus bis zu 100 Kehlen die Antwort „TIDE RUNNERS!“ donnerte.
Nach gut einem halben Jahr #crewlov gab es dann 2015 den ersten MIDNIGHT HALF der Tide Runners.
Ein unglaublicher Auftakt. Es war damals schon ein großartiger Erfolg und nebenbei mein erster Halbmarathon.
Der Lauf
Die Tage vor dem Halbmarathon waren vor allem von Vorfreude geprägt. Speziell trainiert hatte ich nicht, nur mein normales Laufprogramm abgespult. Außerdem war ich Freitagabend noch heftig feiern auf der LiLaBe… perfekte Vorbereitung sieht anders aus.
Am Tag des Laufs wurde die Route bekannt gegeben und sah schon einmal vielversprechend aus. Ich versuchte mir Details und Wegpunkte einzuprägen. Sicherheitshalber installierte ich noch komoot (zur Navigation entlang von vorgegebenen Routen / GPS-Positionen, bekommt ihr gratis hier) auf dem SmartPhone und übertrug die Route; das sollte sich später noch als sinnvoll erweisen.
Ab 21 Uhr trafen sich die ersten Läufer in der Sporthalle neben dem ramponierten Goldenen Pudel auf St. Pauli und stärkten sich am Buffet.
Wie immer verging die Zeit viel zu schnell, konnte ich mich doch mit Läufern aus den eigenen Reihen aber auch den Running Junkies aus Amsterdam und dem Run Pack aus Berlin unterhalten. So schien gerade einmal eine halbe Stunde vergangen, als wir zum Aufbruch gerufen wurden.
Letzte Informationen wurden bekannt gegeben: Auch dieses Jahr, wie im Jahr zuvor, war die Route mit Silberspray markiert worden. Mindestens jede Abbiegung war markiert worden. Ich schnappte mir trotzdem noch eine laminierte Karte der Route für den Fall, dass ich einen der Pfeile übersehen und mich verlaufen würde.
Kurz vor elf ging es auf die Treppe vor der Sporthalle, wo die ersten Fotos mit Pyro-Unterstützung entstanden. Dann sammelte sich die Meute an der Bernhard-Nocht-Straße für den Aufbruch. Das Feld trennte sich nach dem Startschuss schnell, wobei ich von einer abstürzenden DJI Phantom Drohne erst einmal hart ausgebremst wurde. Trotzdem konnte ich schnell wieder aufschließen und blieb am „Sub 5:00er Pace“-Feld dran.
Schnellen Schrittes ging es vom Start aus immer nach Osten, über die Niederbaumbrücke in Richtung Sandtorhafen. Und dann war es für mich eigentlich auch schon vorbei. Die Wade machte dicht… aus Laufen wurde Humpeln. Zu viel Training im Vorfeld? Falscher Schuh?
Es half nichts, ich musste mich vom schnellen Feld trennen und zurückfallen lassen. Dehnen und Mobilisieren war angesagt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Aber… wer mit den Tide Runners läuft, der läuft niemals allein. So wurde ich von Hamed und Sören aufgesammelt, die ihr eigenes Tempo hatte, das besser zu mir passte: Irgendwas zwischen einer Pace von 5:30 und 6:00. Das klappte sogar mit der unbeweglichen Wade.
So lief unsere kleine Gruppe am Oberhafenkanal entlang und bald waren wir alleine in der Nacht, andere Gruppen waren weder vor noch hinter uns zu sehen. Glücklicherweise hatten wir unsere Routen-Karten dabei, denn die silbernen Pfeile hatten dem Regen nicht widerstehen können.
Dass wir noch auf dem richtigen Pfad waren, merkten wir, als uns von weitem die Worte „Rhabarber oder Vodka?“ entgegendröhnten. Wir hatten die erste Verpflegungsstation erreicht: Das bedeutete Schnapsstopp oder sportliche Ertüchtigung! Ich wählte Rhabarberschnaps und bekam einen ganzen Plastikbecher voll. Wow, man meinte es großzügig mit mir. Das sah wie 10cl aus! Egal, runter damit.
Zurück ging es auf die Route, das Bein zwickte allerdings. Offensichtlich schien der Stopp sich auf unsere Orientierung auszuwirken, denn die Baustelle, durch die wir kurze Zeit später als Unterführung missbrauchten, gehörte vermutlich nicht zur offiziellen Strecke.
Das war uns dann doch zu viel, verirren wollten wir uns trotzdem nicht. In Veddel beschlossen wir, nach kurzer Diskussion, die Wegführung nun komoot zu überlassen. Also SmartPhone raus, App starten und Lautstärke aus Maximum. Keine schlechte Entscheidung, denn – der Stimme folgend – entdeckten in der Unterführung am Saalehafen den erste silberne Pfeil.
Auf den folgenden Kilometern liefen wir alleine. Wir überholten keine Läufer, wir wurden nicht überholt. Ungewohnt. Nur das warme Gefühl im Magen und einem beerenartigem Geschmack auf der Zunge begleiteten uns. So erreichten wir den alten Elbtunnel, dessen Eingang mit einem weiteren Silberpfeil gekennzeichnet war.
Bereits auf den Treppen nach unten hörte wir Musik und megaphoneverstärkte Stimmen: Auf zum zweiten Schnapsstopp, diesmal gnädigerweise nur mit einem Shot.
Partywissen am Rande: Ein Shot trägt diesen Namen, da in den Zeiten des Wilden Westens ein kleines Schnaps etwa so viel kostete wie eine .38er Patrone. Wer knapp bei Kasse war, der konnte bei einigen Barkeepern eine Patrone eintauschen. „Gimme a shot!“
Anschließend galt es wieder Geschwindigkeit aufzunehmen und so rannten wir die Treppen des Tunnels wieder hoch. Trotz des inzwischen fast schmerzfreien Laufens war ich froh, als mir der Blick auf die App verriet, dass nur noch 7 km auf mich warteten.
Es ging an der Elbe entlang, über den Fischmarkt immer weiter Richtung Altona und im großen Schlenker um Altona herum. Ein kleines Highlight bildete noch der Gastauftritt unserer Laufgruppe auf der Reeperbahn; laut der Zurufe nimmt man den Feiernden wohl durch Sportausübung den Spaß am Trinken. Noch lachend entdeckten wir in der S-Bahn-Unterführung, knapp einen Kilometer vom Ziel entfernt, den dritte silbernen Pfeil.
Nun noch die paar Meter zurück zur Elbe, dann war es auch geschafft. Der Empfang konnte sich sehen lassen. Es gab ein großes Johlen und Applaus, trotz der verpassten Bestzeit. Keine drei Minuten später drückte man mir schon das erste Bier in die Hand. Nun aber rein, es war doch ganz schön frisch.
Einige Biere, zahlreiche Getränke und Törtchen später war meine Stimmung wieder in Ordnung.
Die laute Menge wurde vom Megaphone zur Ruhe gebracht. Dank großzügiger Sponsoren sollten noch 50 Gewinne unter die Läufer gebracht werden.
Als schnellster Läufer wurde Bastian Eickhoff mit einem Gutschein für ein paar neue Schuhe belohnt. Verdient!
Fast endlos wirkte der Strom an Schuhen, Bekleidungsstücken und Accessoires… schließlich ging jeder Zweite mit einem Präsent dabei.
Auch ohne Glück bei der Verlosung ging es für mich zufrieden nach Hause. Ein kurzer Blick auf die Uhr; etwa 3:00 Uhr. In etwas vier Stunden würde mich der Wecker für die Bramfelder Winterlaufserie rufen.
Auch wenn es nicht für eine persönliche Bestzeit gereicht hatte, war es eine unglaubliche Stimmung.
Impressionen
Wer noch ein paar Eindrücke sammeln will, der kann sich einmal durch die Bilder von schneider outdoor visions durchklicken.
Bilder vom zweiten MIDNIGHT HALF von schneider outdoor visionsSollte jemand auf den Bildern sein und möchte nicht im Internet zu sehen sein, bitte kurze Notiz an uns! Geile Nacht.
Posted by Tide Runners Hamburg on Dienstag, 23. Februar 2016
Rahmendaten
- Halbmarathon-Rundkurs (+ ein paar Meter extra) durch Veddel und Altona inkl. Alter Elbtunnel
- ~100 Teilnehmer
- Verpflegung: ja (inkl. Schnapps)
- Medaille: nein
- Urkunde: ja
- Umkleiden: ja
- Streckenmarkierung: Silberspray, GPS-Daten, Karte
- Toiletten auf der Strecke: nein
- Kleiderbeutelabgabe: ja
- Gebühr: 10 Euro (5 Euro Spende diese Jahr an UNOGWAJA LIGHTFUND)
- Zeitmessung: Ja, händische Zeitnahme im Ziel
- Besonderheit: #crewlove
Lust bekommen?
Wer Lust hat, der kann die Route auch noch einmal nachlaufen. Sie steht online zur Verfügung:
Wenn ihr zur Nutzung von komoot noch einen Regionscode / Gutschein braucht, dann findet ihr einige hier.
Ich hoffe, dass die MIDNIGHT HALFs der Tide Runners Hamburg noch eine lange, lange Tradition werden.